Position der Deutschen Bauchemie zur Bauproduktenverordnung

(Verordnung (EU) Nr. 305/2011)

Trotz der komplexen Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der europäischen Ebene wurde unter der früheren Bauproduktenrichtlinie und der heutigen Bauproduktenverordnung ein Europäischer Binnenmarkt für Bauprodukte geschaffen von dessen Vorteilen die Akteure in den Lieferketten am Bau erheblich profitieren. Der inzwischen über viele Jahre auf eine Anzahl von etwa 450 harmonisierten CEN-Produktnormen angewachsene Bestand bildet das Rückgrat des Binnenmarktes.

Die harmonisierten CEN-Normen bilden einen zentralen Knotenpunkt und

  • werden von den Herstellern herangezogen, um die Leistung ihrer Produkte in einer gemeinsamen europäischen Sprache zu deklarieren,
  • dienen den Mitgliedstaaten als Bezugspunkt für die Festlegung ihre nationalen Anforderungen an Bauprodukte und
  • Planer und Architekten nutzen sie, um die benötigten Leistungen der zu verwendenden Bauprodukte europaweit auszuschreiben.

 

Die Deutsche Bauchemie unterstützt die europäische Harmonisierung und die diesbezüglichen Bestrebungen der Europäischen Kommission zur Optimierung des Rechtsrahmens (BauPVO).

Nachfolgend die Hauptziele, die die Deutsche Bauchemie dabei verfolgt:

  1. Vollständige Aufrechterhaltung, Weiterentwicklung und Optimierung des Binnenmarktes für Bauprodukte und seiner Vorteile
  2. Erhalt einer starken Rolle der harmonisierten CEN-Normung und Sicherung der technischen Qualität der Normen durch die notwendige Mitwirkung aller interessierten Kreise
  3. Zeitnahe Lösung der aktuellen Probleme der harmonisierten CEN-Normung und regelmäßige Anpassung an den technischen Fortschritt
  4. Implementierung einer harmonisierten Methode zur Ermittlung und Kommunikation der Umweltauswirkungen (LCA) von Bauprodukten unter Nutzung von bewährten Methoden
  5. Keine unnötige Verkomplizierung durch eine Kombination von Leistungs- und Konformitätserklärung (NLF-Ansatz) zu produkt-inhärenten Anforderungen
  6. Klare Kriterien und Rahmenbedingungen für die EOTA/TAB-Route
  7. Kohärenz zwischen Rechtsbereichen und Vermeidung von Doppelregulierung
  8. Im Zuge fortschreitender Digitalisierung sollen IT basierte Methoden (z.B. BIM, Smart CE-Marking, Digital Logbook) zur Optimierung der Kommunikation in der Lieferkette gefördert werden


Im folgenden Anhang werden die Beweggründe der Deutschen Bauchemie zu den acht genannten Hauptzielen kurz erläutert.

 

1. Vollständige Aufrechterhaltung, Weiterentwicklung und Optimierung des Binnenmarktes für Bauprodukte und seiner Vorteile

Trotz der komplexen Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der europäischen Ebene, hat die Bauproduktenverordnung einen Binnenmarkt „light“ geschaffen: Hersteller profitieren davon, dass statt 27 unterschiedlichen Prüfverfahren für ein wesentliches Merkmal eines Bauproduktes, eine Prüfung genügt. Dies vermeidet unnötige Kosten und erhöht das gesamteuropäische Produktangebot. Die so geschaffene „common European Language“ bildet einen zentralen Knotenpunkt, der von Herstellern, Verwendern und nationalen Regulatoren in Bezug genommen wird. Der europäische Binnenmarkt darf nicht durch eine Einschränkung des Geltungsbereiches der BauPVO und ihrer Grundprinzipien gefährdet bzw. verkleinert werden.

 

2. Erhalt einer starken Rolle der harmonisierten CEN-Normung und Sicherung der technischen Qualität der Normen durch die notwendige Mitwirkung aller interessierten Kreise

Harmonisierte Normung kann funktionieren! Über die harmonisierte Normung werden Anforderungen der Regelsetzung und die hierzu erforderliche technische Expertise optimal zusammengebracht. Vollständige, lückenlose Normungsaufträge sowie eindeutige Vorgaben und Kriterien für die Erstellung harmonisierter Normen sind essenzielle Voraussetzungen für ein reibungsloses Funktionieren der harmonisierten Normung.

 

3. Zeitnahe Lösung der aktuellen Probleme der harmonisierten CEN-Normung und regelmäßige Anpassung an den technischen Fortschritt

Im Green Deal wurde eine Renovierungswelle angekündigt, die nun auch beim COVID-Krise-Aufbauplan der EU-Kommission eine zentrale Rolle spielt. Ein funktionierender Binnenmarkt und eine funktionierende harmonisierte Normung sind zentral, um diese sozial verträglich und zeitgerecht umzusetzen. Hierzu sind Lösungsansätze unter der aktuellen BauPVO zwingend erforderlich und dürfen nicht auf eine in einigen Jahren überarbeitete BauPVO verschoben werden.

 

4. Implementierung einer harmonisierten Methode zur Ermittlung und Kommunikation der Umweltauswirkungen (LCA) von Bauprodukten unter Nutzung von bewährten Methoden

Freiwillige Informationen zu Umweltauswirkungen von Bauprodukten sind im Bausektor seit langem etabliert. Im Zuge von Green Deal und nationaler Aktivitäten ergibt sich zunehmend regulativer Handlungsbedarf. Die Überarbeitung der BauPVO soll genutzt werden, eine harmonisierte Methode zur Bestimmung und Kommunikation der Umweltauswirkungen von Bauprodukten einzuführen. Hierbei sollte auf bewährte Methoden und Instrumente (z.B. Umweltproduktdeklarationen (EPD) nach EN 15804) zurückgegriffen werden, um unnötigen Aufwand zu vermeiden. Die gerade erfolgte Anpassung der EN15804 an die PEF-Methodik bietet eine geeignete Grundlage.

 

5. Keine unnötige Verkomplizierung durch kombinierte Leitungs- und Konformitätserklärung (NLF-Ansatz) für produkt-inhärente Eigenschaften

Zusätzliche Anforderungen an produkt-inhärente Eigenschaften im Hinblick auf Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltaspekte könnten unter Artikel 3, Absatz 3 der aktuellen BauPVO eingeführt werden. Eine parallele Anwendung des NLF-Ansatzes und eine damit verbundene Verkomplizierung des bereits komplexen Rechtsrahmens ist nicht notwendig. Die jetzt bereits von der Bauindustrie bemängelte Fehlinterpretation der Bedeutung der CE-Kennzeichnung von Bauprodukten würde ansonsten weiter ins Unklare getrieben werden.

 

6. Klare Kriterien und Rahmenbedingungen für die EOTA/TAB-Route

Zusätzlich zur CEN-Route wird ein paralleler Weg (EOTA-Route) für innovative und nicht normungsfähige Bauprodukte benötigt. Die Kommission sollte die Auftragserteilung in den einen oder anderen Weg (CEN oder EOTA) anhand von klaren Kriterien zentral koordinieren. Nach Möglichkeit sollten ETA nach vorgegebenen Zeiträumen in hENs überführt werden.

 

7. Kohärenz zwischen Rechtsbereichen und Vermeidung von Doppelregulierung

Es sollten unbedingt sichergestellt werden, dass zwischen unterschiedlichen Rechtsbereichen, wie dem Bauprodukte- und dem Chemikalienrecht, keine Doppelregulierungen auftreten und dass Kohärenz zwischen den Rechtsbereichen gegeben ist.

 

8. Im Zuge fortschreitender Digitalisierung sollen IT basierte Methoden (z.B. BIM, Smart CE-Marking, Digital Logbook) zur Optimierung der Kommunikation in der Lieferkette gefördert werden

Die zukünftigen Informationsanforderungen werden insbesondere aufgrund der zu berücksichtigenden Nachhaltigkeitsaspekte einen Umfang bekommen, der eine vollständige Übernahme in die CE-Kennzeichnung unmöglich macht. Auch hat die Praxis gezeigt, dass eine Dopplung der Informationen in CE-Kennzeichnung und Leistungserklärung nicht erforderlich ist. Anstelle dessen sollten IT-basierte Methoden genutzt werden, um die Lieferkettenkommunikation zu optimieren und effizienter zu gestalten. Beispielsweise könnten IT Tools etabliert werden, mit denen die Verwender der Bauprodukte einfach erkennen können, für welche Verwendungen und in welchen Mitgliedstaaten sie ein Produkt einsetzen dürfen.

 

 

Deutsche Bauchemie
Frankfurt
14. Dezember 2020

Die Diskussion zu einer möglichen Überarbeitung der BauPVO ist in vollem Gange. Europäische Kommission, Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die betroffene Industrie debattieren über die Frage der Notwendigkeit und mögliche Lösungsansätze für identifizierte Probleme.

Die Deutsche Bauchemie bezieht Stellung und veröffentlicht Positionspapiere zur Standortbestimmung.

Ihr Ansprechpartner

Martin Glöckner
Deutsche Bauchemie
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