Nach der Begrüßung durch Ina Hundhausen, Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Bauchemie, gab Martin Glöckner, Geschäftsführer Regulatory Affairs der Deutschen Bauchemie, einen Überblick zum Stand der neuen EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO), die noch im November 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden soll. Martin Glöckner wies darauf hin, dass viele der wesentlichen Pflichten unter der neuen BauPVO, wie z.B. die Leistungs- und Konformitätserklärungen (DoPC), die CE-Kennzeichnung, die Informationspflichten, die Deklaration der Umweltleistung bzw. Ökobilanzindikatoren und der Digitale Produktpass erst dann greifen, wenn ein Produkt durch eine harmonisierte technische Spezifikation erfasst wird, die unter der neuen BauPVO per Durchführungsrechtsakt verbindlich eingeführt wurde. Nicht überarbeitete harmonisierte technische Spezifikationen (hEN) können noch bis 2039 unter der alten BauPVO angewendet werden. Ökobilanzindikatoren werden unter der neuen BauPVO zum verpflichtenden Bestandteil der Leistungs- und Konformitätserklärungen, außerdem wird schrittweise der Digitale Produktpass eingeführt, in dem Inhalte der neuen BauPVO und der neuen EU-Ökodesignverordnung (ESPR) berücksichtigt sind.
Nachhaltigkeitssiegel unter der Lupe
Dr. Gerrit Land, Referent Betontechnik und Baudichtstoffe der Deutschen Bauchemie, führte die Teilnehmenden in seinem Vortrag durch den „Dschungel“ der zahlreichen Siegel für Emissionen und Nachhaltigkeit. Er erläuterte zunächst die jeweiligen Kriterien und Details wichtiger Emissionssiegel (z.B. VOC, EMICODE, Blauer Engel). Es folgten Beschreibungen der Kennzeichnungs- (GISCODEKräfte durch) und Deklarationssysteme (EPD) sowie der Systeme zur Gebäudezertifizierung (u.a. LEED, BREEAM, DGNB). Mit konkreten Hinweisen zur Verwendung der Siegel, zur Nutzung von Produktdatenbanken und Nachhaltigkeitsdatenblättern rundete Dr. Land seinen Vortrag ab.
Elastische Bodenfugen im Innenbereich
Den ausführlichen Praxisteil des Symposiums eröffnete Mario Sommer (Sopro Bauchemie GmbH). Er skizzierte die besondere Bedeutung von Bodenfugen zur Aufnahme von Bewegungen zwischen Bauteilen und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Fugenplanung. Elastische Dichtstoffe tragen dazu bei, Kräfte durch Bauteillängenveränderungen, Bauteilverschiebungen durch Belastungen und Fugenvergrößerungen aufgrund von Setzungen aufzufangen. Mario Sommer erklärte das Funktionsprinzip von Bewegungsfugen, demonstrierte die hierzu erforderlichen Berechnungen zur Fugendimensionierung und den fachgerechten Einbau der Dichtstoffe.
Acrylat-Dichtstoffe im Detail
Den besonderen Fokus auf das Leistungsvermögen und die Vorteile von hochwertigen Acrylat-Dichtstoffen richtete Marco Schmidt (BASF SE). Nach dem Aushärten sind sie dauerhaft elastisch und wasserbeständig, haften gut auf vielen Materialien, sind einfach und schnell überstreichbar, leicht aufzutragen, dazu geruchlos und emissionsarm. Diese Eigenschaften sind nach den Worten von Marco Schmidt an ein gewisses Qualitätsniveau gebunden, wie eigene Marktrecherchen ergeben haben. Seine Empfehlung ging klar in Richtung Markenprodukte und war eindeutig: „Ein billiger Dichtstoff ist sicherlich kein guter Dichtstoff!“
Dichtstoffe in der Fenstermontage
Welch zentrale Funktion Baudichtstoffe in der Praxis ausfüllen, zeigte Alexander Kirch (Soudal N.V.) in seinem Vortrag über die fachgerechte Fenstermontage unter Einsatz spritzbarer Dichtstoffe für die Anschlussfugen. Ausgehend von den einschlägigen Normen und Regulierungen standen vor allem die sich aus dem Drei-Ebenen-Modell ergebenden Einflussfaktoren der Wetterschutz-, Funktions- und Raumebene im Mittelpunkt. Auch bei Fenstern und Türen geht nichts ohne sorgfältige Planung und vorausschauende Fugendimensionierung: „Keinesfalls unter 10 mm Fugenbreite!“. Dichtstoffe müssen standfest und trotzdem modellierbar sein, außerdem gelte es gezielt auszuwählen, welche Dichtstoffe zum Glas hin einsetzbar sind. Mit neu entwickelten HMX-Fassadendichtstoffen und Flüssigmembranen präsentierte Alexander Kirch auch noch zwei interessante Dichtstofftechnologien der Zukunft.
Naturstein ist nicht Naturstein!
Dem speziellen Anwendungsbereich Naturstein widmete sich Stefan Wajand (Hermann Otto GmbH). Er zeigte ein anschauliches Fallbeispiel einer neue Travertin-Fassade an einem Bürokomplex, die schon ein Jahr nach der Montage im Anschlussbereich der Aluminiumfenster auffällige Verfärbungen aufwies. Schritt für Schritt folgte die Analyse, wer von den Beteiligten diese Randzonenverschmutzung ausgelöst hat. Zu geringe Fugendimensionierung durch den Fassadenbauer, Montage der Fenster im Winter mit ungünstigen Verarbeitungstemperaturen und das Weglassen eines Primers durch den Handwerker vor dem Einbringen des Dichtstoffs führten in der Summe zu dem Schadensbild. „Bei solchen Bauvorhaben ist die Herausforderung, für die spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Natursteins die optimalen Dichtstoff-Produkte zu finden“, so Wajand, „denn: Naturstein ist nicht Naturstein!“
Adhäsion und Kohäsion
Dr. Andreas Wolf (A&S SciTech Consulting) arbeitete in seinem den Praxisteil abschließenden Vortrag zunächst die wichtigsten Details rund um die Wirkprinzipien Adhäsion und Kohäsion heraus. Er erläuterte dabei auch die beiden Schadensphänomene adhäsives bzw. kohäsives Versagen bei Fugen und leitete daraus ab, warum ein sorgfältiges Nacharbeiten des Dichtstoffe beim Fugen von Bedeutung ist. Ein zweiter Schwerpunkt war die Analyse der Oberflächenenergie des Substrates (der Materialien, an die der Dichtstoff angrenzt). Dr. Wolf präsentierte dazu unter anderem eine Reihe von Beispielen der Wirkung eines Dichtstoffs auf Kupfer, auf Beton, auf Aluminium oder auf einer Pulverlackierung.
Im Anschluss an die einzelnen Vorträge des Symposiums beteiligte sich das Auditorium intensiv mit Fragen an die Referenten und mit eigenen Diskussionsbeiträgen. Die Pausen wurden zudem für Fachgespräche untereinander genutzt. Die Deutsche Bauchemie plant eine Neuauflage des Symposiums Baudichtstoffe, der Termin dazu wird rechtzeitig veröffentlicht.
Die Deutsche Bauchemie vertritt seit 75 Jahren die Interessen ihrer Mitgliedsfirmen und deutschen Tochter-unternehmen ausländischer Konzerne gegenüber der Fachöffentlichkeit, Politik, Behörden, Wissenschaft und Medien. Der Industrieverband gehört als Fachorganisation zum Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die mehr als 130 Mitgliedsunternehmen erwirtschafteten 2022 mit rund 32.000 Beschäftigten einen Umsatz von 4,7 Milliarden Euro in Deutschland.