Eckpunkte für die neue EU-Bauprodukteverordnung
Impuls zum laufenden Diskussionsprozess
Aktualisierte Fassung, 23.01.2023
- Die zukünftige EU-BauPVO sollte den Rechtsanwender im Blick haben. Sie sollte möglichst einfach verständlich und auf den notwendigen Umfang beschränkt sein.
- Alle erforderlichen Bestimmungen für Bauprodukte sollten – im Sinne der Rechtsanwender - ausschließlich unter der novellierten BauPVO geregelt werden. Bauprodukte sollten klar von der – zeitgleich(!) im Gesetzgebungsprozess befindlichen Ökodesign-Verordnung (ESPR) ausgenommen werden. Es ist im Ermessen der Gesetzgeber abweichende Regelungen in der BauPVO – die die Spezialgesetzgebung für Bauprodukte darstellt - vorzusehen. Ein „Sicherheitsnetz“, wie in der ESPR vorgesehen, ist nicht notwendig.
- Dem Grundgedanken der harmonisierten Zone folgend, sollten harmonisierte technische Spezifikationen umfassend sein und alle potenziellen Anforderungen abdecken. Kombinationen aus mehreren harmonisierten technischen Spezifikationen und/oder ETAs für ein und dasselbe Bauprodukt wären ein Widerspruch.
- Eine Öffnung für nationale Zusatzanforderungen an harmonisierte Bauprodukte stände im Widerspruch zum Grundprinzip der harmonisierten Zone und würde die Harmonisierung – und letztlich den Binnenmarkt für Bauprodukte - massiv gefährden. Die vorgeschlagene Ausnahmeregelung, die an formale Notifizierungsverfahren und Durchführungsrechtakte gebunden ist, darf daher nicht aufgeweicht und ausgeweitet werden.
- Es muss die Regel bleiben, dass die Expertengremien des Europäischen Normungsinstituts CEN die Inhalte für die harmonisierten technischen Spezifikationen liefern. Inhaltliche Eingriffe der Kommission sollten sich auf die Korrektur formaler Fehler und die Ergänzung von erforderlichen Inhalten, die von CEN nicht erarbeitet werden können, beschränken. Nach positiver Überprüfung inkl. möglicher Korrekturen und Ergänzungen sollten die harmonisierten technischen Spezifikationen von der Kommission innerhalb einer kurzen Frist nach einem vorgegebenen, formal eindeutig geregelten Verfahren eingeführt werden.
- Die zuvor genannte Vorgehensweise über die Expertengremien des Europäischen Normungsinstituts CEN sollte auch für die Nachhaltigkeitsaspekte entsprechend dem Anhang I, Teil A, Punkte 1.8 und 2 gelten. Auch zu dem horizontalen Aspekt der umweltbezogenen Nachhaltigkeit sind immer produktkategoriespezifische Konkretisierungen wie z.B. „complementary Product Category Rules“ (c-PCR) erforderlich und diese erfordern die fachliche Expertise der CEN-Gremien. Vermutlich würden die Ressourcen und die fachliche Expertise der Kommission auch nicht ausreichen, um diese Konkretisierungen für alle harmonisierten Bauprodukte in Form von delegierten Rechtsakten fach- und zeitgerecht zu erlassen.
- Die in Anhang I, Teil B und Teil C beschriebenen Produktanforderungen sind nicht für alle Arten von harmonisierten Bauprodukten relevant und anwendbar.
Weiterhin sind die dort beschriebenen Produktanforderungen recht allgemein gehalten und bieten keine ausreichende Grundlage für eine direkte Anwendung. Eine zusätzliche Auswahl und Konkretisierung für die jeweiligen Produktkategorien sind unerlässlich.
Daher ist es sinnvoll, dem Kommissionsvorschlag zu folgen und die Teile B und C von Anhang I nur dann anzuwenden, wenn die Kommission die Anforderungen für eine bestimmte Produktkategorie mittels eines delegierten Rechtsakts festgelegt hat.
- Die Normungsaktivitäten unter der BauPVO sollten durch klare Kriterien, vorgegebene Verfahrensabläufe und zusätzliche Kontrollinstanzen unterstützt, optimiert und beschleunigt werden.
- Unter der neuen BauPVO sollten die Chancen der Digitalisierung genutzt werden. Leistungs- und Konformitätserklärung in einem maschinenlesbaren Format sind eine notwendige Voraussetzung.
- Der Aufwand und die bürokratischen Hürden für die Einrichtung, Dateneingabe und regelmäßige Aktualisierung einer EU-Bauprodukte-Datenbank sind extrem hoch. Die Inhalte dieser Datenbank sind zudem nicht ausreichend klar definiert, wobei in diesem Zusammenhang unbedingt darauf zu achten ist, dass vertrauliche und sensible Daten, die z.B. Bestandteil der technischen Dokumentation sind, nicht zum Umfang der zu meldenden Daten gehören. Vermutlich könnte mit geringeren Hürden und vergleichbarem Ergebnis ein „Digital Construction Products Passport“ (DCPP) etabliert werden. Dieser sollte die Leistungs- und Konformitätserklärung in maschinen- und allgemein lesbarem Format sowie die Informationen gemäß Teil D des Anhangs I in digitaler Form enthalten. Sollte ein zentraler Zugriff auf die DCPP unerlässlich sein, könnte dieser über ein zentrales DCPP-Register realisiert werden. Die in der ESPR verankerten Grundsätze für den Digital Product Passport könnten bei Bedarf als Basis für den DCPP unter der BauPVO herangezogen werden.
- Umweltproduktdeklarationen (EPDs) mit allen Kernindikatoren der EN 15804+A2 in Verbindung mit praktikablen Anwendungsregeln und einem einheitlichen EU-Software-Tool sind die geeignete Basis für eine verbindliche Deklaration der umweltbezogenen Nachhaltigkeitsleistung von Bauprodukten. EPDs für alle harmonisierten Bauprodukte sind allerding nur realisierbar, wenn in Sektoren mit vielen KMU und Herstellern mit breitem Produktportfolie die bewährten Branchen- bzw. Muster-EPDs anerkannt werden. Herstellerspezifische EPDs für jedes einzelne harmonisierte Bauprodukt wären eine vollkommen unrealistische Forderung und nicht realisierbar.
- Nachhaltigkeitsanforderungen sollten außerhalb der BauPVO auf Bauwerks- und nicht auf Produktebene festgelegt werden. Nicht das Produkt in Lieferform, sondern in der Einbausituation ist entscheidend. Ökobilanzdaten der Bauprodukte in digitalem, maschinenlesbarem Format könnten in der BauPVO verankert werden und würden die Berechnung auf Gebäudeebene erleichtern.
- Traffic-light-labelling macht bei Bauprodukten nur in begründeten Einzelfällen Sinn. Eine Umsetzung nach dem Gießkannen-Prinzip könnte sogar negative Auswirkungen für das nachhaltige Bauen haben, wenn die Einbausituation nicht berücksichtigt wird.
- Weder die neue BauPVO, noch die neue Ökodesign-Verordnung (ESPR) sollten den Neuerungen im europäischen Chemikalienrecht vorgreifen. Die Definition und Beschränkung von „Substances of concern“ und PMT/vPvM sowie Bestimmungen zu „Microplastics“ sollten im Rechtrahmen der REACH- und CLP-Verordnung geregelt werden, um ein kohärentes Vorgehen bei diesem komplexen Thema zu gewährleisten.
- Die vorgeschlagenen Übergangsbestimmungen mit einer etwa 20-jährigen Koexistenz der alten und der neuen BauPVO würden in der Praxis zur Konfusion führen. Hier werden pragmatische Lösungsansätze benötigt.
Deutsche Bauchemie e.V.
Frankfurt, 23. Januar 2023
Hintergrund
Der Gesetzgebungsprozess zur Überarbeitung der Bauproduktenverordnung schreitet voran. Die Gesetzgeber setzen sich u.a. mit der Frage auseinander wie die harmonisierte Normung und damit der stotternde Motor des Binnenmarktes für Bauprodukte wieder angeworfen werden kann. Oder wie der Green Deal Agenda Rechnung getragen werden soll. Der Entwurfsbericht von Herrn Doleschal für den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz ist eine wichtige Fortentwicklung des Kommissionsvorschlages.
Im Januar 2023 verabschiedete die Deutsche Bauchemie eine überarbeitete Fassung des Eckpunktepapier, die auf den fortgeschrittenen Diskussionsstand im Binnenmarkt- und Umweltausschuss des Europäischen Parlaments eingeht.
Ihre Ansprechpartner
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